Ich kam nach Marbach am Neckar in einer Stunde, in der die Stadt leiser atmet und die Schuld der Menschen hörbar wird. Oben auf der Schillerhöhe brannte ein einzelnes Fenster, als hielte jemand Wache über Dinge, die sich nicht mehr erklären lassen. Unten, in einem Haus am Hang, stand ein Mann im Treppenhaus, bleich, mit der Art von Blick, der nach einem Urteil sucht. „Der Schlüssel ist mir im Fahrstuhlspalt verschwunden“, sagte er, „die Tür ist abgeschlossen… drinnen liegt der Umschlag, heute Nacht noch fällig.“ Er flüsterte, als fürchte er, das Haus könnte gegen ihn aussagen.

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Ich nannte ihm das Gesetz der kleinen Rettungen: 99 € für die schadensfreie Türöffnung inkl. Anfahrt; nur wenn Gewalt nötig sei—bohren, fräsen, Kernziehen—149 € inkl. Anfahrt, Material extra. Er nickte, ohne Hoffnung, aber mit einer müden Bereitschaft, den Preis der Ordnung zu zahlen. „Tun Sie’s“, sagte er, und in seiner Stimme war die ganze Stadt, die über dem Fluss sitzt und wartet.

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Das Schloss war eines, das von Treue spricht und doch nicht mehr weiß, wem. Ich setzte den Spanner, fühlte den Kern wie einen kalten Puls. Der erste Stift stieg, dann der zweite; jeder gab ein kurzes, trockenes Einverständnis, als unterschreibe er eine Wahrheit, die niemand liebt. Ich hielt die Spannung, ein Hauch nur, und der letzte Widerstand fiel, leise wie Reue. Eine Vierteldrehung. Der Riegel wich. Die Tür gab nach, ohne Triumph und ohne Geräusch, wie ein Mensch, der endlich aufhört zu lügen.

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Er ging hinein, nahm den Umschlag in beide Hände, als sei er warm. In der Küche stand eine leere Tasse, die auf ein anderes Leben wartete. Ich schrieb die Quittung auf dem Flurschränkchen: Sieben Schwaben Schlüsseldienst, 99 €, Uhrzeit, Adresse. Er zahlte mit Karte; das kleine Gerät bestätigte nüchtern, dass Schuld manchmal eine Summe ist, die man begleichen darf.

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Draußen lag der Neckar dunkel und ernst. Der Wind kam vom Wasser herauf, ohne Trost und doch nicht grausam. Ich sah noch einmal zur Schillerhöhe hinüber, wo das Fenster erlosch. Dann ging ich. Manche Türen öffnen sich, und für einen Atemzug lang scheint die Welt bereit, uns zu verzeihen.

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